Was bedeutet die Digitalisierung für uns Kommunikationsexperten? Sind Print und TV Schnee von gestern? Macht der digitale Wandel das alte Handwerkszeug der Kommunikation obsolet? Eine Bestandsaufnahme.
2013 markiert einen Wendepunkt. Wenn sich mit Axel-Springer einer der gr??ten Verlage Europas von seinen Traditionsmedien trennt, wenn Gruner+Jahr sich nicht l?nger als Verlagshaus, sondern als "Inhalte-Haus" betitelt, dann wankt der Medienmarkt nicht nur in Deutschland. Wie sehr sich die Medienlandschaft mit diesen Entscheidungen ?ndert, wird wohl erst in einigen Jahren deutlich. Fest steht jedoch schon heute: Print und Digital, online und offline verschmelzen. Budgets werden umgeschichtet, auf Unternehmens- wie auf Medienseite. t?glich umschwirren uns dazu Dutzende Statistiken, Umfragen und Analysen: Youtube ist fünftreichweitenst?rkster Sender noch vor Prosieben, 86 Prozent aller Journalisten nutzen Social Media zur Recherche, der durchschnittliche Deutsche verbringt 54 Minuten t?glich im Internet, Unternehmen steigern ihre Ausgaben für Content Marketing j?hrlich um 111 Prozent.?
"The world is changing. You either get on the bus or see it pass by", sagt Rne Schuster, Chief Executive Officer von Telefonica, und trifft damit das Herz des Ph?nomens. Wer nicht aufspringt, bleibt auf der Strecke. Denn die Entwicklungen in der Medienlandschaft sind l?ngst auf die professionelle Kommunikation übergeschwappt. Die Zahl der Kommunikationskan?le ist in den vergangenen Jahren explodiert und w?chst stetig weiter. Tumblr, Facebook, Instagram, Twitter & Co. er?ffnen nie dagewesene M?glichkeiten und Reichweiten. Facebook z?hlt 2013 weltweit 1,15 Milliarden Nutzer. Zum Vergleich: Nur China und Indien haben mehr Einwohner. Die 25 Millionen Facebook-Nutzer muten dagegen gering an. Gleichzeitig macht es die zersplitterte digitale Informationslandschaft schwer, sich Geh?r zu verschaffen. Die Schlüsselfragen lauten deshalb: Kann ich Unternehmenswerte ins Digitale übertragen: Und wie schaffe ich Aufmerksamkeit im Web 2.0? Schlussendlich: Kann digitale Kommunikation dazu beitragen, die Unternehmensgewinne zu erh?hen - und wenn ja, wie??
Neue ?ra der Kommunikation?
Die Antworten hierauf sind vielschichtig. Denn natürlich führt das Digitale nicht direkt in die Glückseligkeit. Genauso wenig bedeutet die Digitalisierung das Aus traditionller Kommunikation. Klassische Medien wie Print und TV werden trotz sinkender Auflagen und Quoten ein Kernbestandteil der Kommunikation bleiben. Nur so k?nnen gro?e Reichweiten erzielt werden - das gilt auch noch in den n?chsten Jahren. Daher geht es nicht um ein "Entweder-oder", sondern um die Schaffung von Synergien durch die Verbindung von digital und analog. Die M?glichkeiten dazu, wie etwa Second Screen, Mobile Campaigning und ePublishing, sind vielf?ltig. Wo der Personalabbau in Redaktionen dazu f?hrt, dass klassische PR-Instrumente nicht mehr greifen, weil zu wenige Redakteure der Flut an Anfragen und Information nicht mehr Herr werden k?nnen, gilt es, Formate wie Presse-Events, -konferenzen und -mitteilungen zu überarbeiten und im digitalen Raum Alternativformate zu entwickeln, die sich direkt an die Zielgruppen richten. Dass Regierungssprecher Steffen Seibert die Amerika-Reise von Angela Merkel über Twitter und nicht auf einer Pressekonferenz angekündigt, hat, pass da ins Bild. Der Weg über den alten Gatekeeper Redakteur ist weiterhin m?glich, aber es ist nicht l?nger der einzige Weg, um eigene Informationen in die Welt zu tragen. Und das ist - zumindest für Unternehmen - eine gute Nachricht. Denn sie k?nnen sich selbst zum Content-Produzenten, zum "Inhalte-Haus" entwickeln und das eigene Anliegen damit weltweit verbreiten.?
Content is King - der Inhalt z?hlt?
Damit das aber funktioniert, gilt es, die richtige Ansprache der richtigen Zielgruppe zur richtigen Zeit über die richtigen Kan?le zu finden. Das ist online nicht anders als offline. Content Marketing hei?t hierzu das Buzzword des Jahres. Es ist das Herzstück aller digitalen Kommunikation und seit Jahrzehnten Kern guter PR. Es meint nichts anderes als die Schaffung und Verbreitung relevanter Inhalte. Was so einfach klingt, stellt sich in der Praxis jedoch als Herkules-Aufgabe heraus. Denn die Definition von Relevanz hat sich ge?ndert. Bestimmen die Nachrichtenfaktoren recht genau, was für Journalisten relevant ist, bedeutet Relevanz für den einzelnen Nutzer schlicht das, was ihn in diesem Augenblick und Kontext interessiert.?
Das ?ndert die Sichtweise auf den Nutzer. Statt als Konsument muss er nun ganzheitlich wahrgenommen werden: als Mensch. Entsprechend kann es in der Kommunikation nicht um die Marke, das Produkt oder das Unternehmen gehen. Auch nicht darum, darzustellen, warum es selbst wichtig ist. Die Kommunikation soll den Nutzen für den Menschen darstellen. BASF ist eines der Unternehmen, die diesen Trend erkannt haben. "Chemistry as enabler" hei?t der neue Slogan. Und genau darum geht es: Enabling, M?glichmachung. Denn eine gute Brand Story, die auf unterschiedlichen Kan?len gespielt wird, entwickelt sich stetig und wird von den Usern weitergesponnen. Erfolgreiche Kampagnen, wie etwa Coca-Colas Kampagne "Trink'ne Coke mit ...", zeigen, dass sie immer ein Stück weit nutzergeneriert sind. ?Ein enormer Machtzuwachs des Users und gleichzeitig eine Chance, tiefere und emotionalere Beziehungen aufzubauen.?
In der Kommunikation 2.0 ist das Unternehmen nicht l?nger der Regisseur, sondern der Autor. In Zusammenarbeit mit brillanten K?pfen entwickelt es Inhalte, die zur Marke und zu den Unternehmenswerten passen und in die Welt gegeben werden. Inhalte, die so relevant sind, dass sie geteilt und weiterentwickelt werden. So entsteht ein viraler Effekt, so entwickelt sich Aufmerksamkeit im Netz (siehe Schaubild). Coca-Cola macht in seiner Kommunikationsstrategie "Content 2020" vor, wie das aussehen kann. Transparent, emotional, partizipativ. Kein Wunder, dass die Strategie für alle Welt einsehbar als Videoanimation auf Youtube zu finden sit. Vor zehn Jahren noch w?re das undenkbar gewesen.?
Kommunikatoren als Geschichtenerz?hler
Wer Autor ist, muss genau wissen, wie die gro?e Geschichte hei?t, die erz?hlt wird, wie die Handlungsstr?nge zusammenlaufen. Mit anderen Worten: Die Markenbotschaften müssen konsistent über Online- und Offline-Kan?le gespielt, ihren Zielgruppen angespasst werden. Das funktioniert nur, wenn der Autor eines kann: gute Geschichten erz?hlen.?
"Vom Produkt zur Story" - das ist der vielleicht gewichtigste Umbruch, welcher die Kommunikationsbranche zurzeit bewegt. Und gerade in der digitalen Kommunikation unabdingbar wird. Storytelling, das ist die Einbindung einer Marke in eine Geschichte, die emotional berührt, Raum zur Identifikation bietet und gleichzeitig Markenwerte an die Zielgruppen transportiert. Das machen Hornbach mit der "Mach es zu deinem Projekt" - Kampagne oder Barack Obama im Wahlkampf 2008 mit "Yes, we can" vor: Geschichten verbinden nicht nur altersübergreifend, sie sind uns seit unserer Kindheit vertraut. Sie erleichtern es, Informationen einzuordnen und Zusammenh?nge herzustellen. Auch in der professionellen Kommunikation. Wer gute Kampagnen machen will, muss gute Geschichten erz?hlen. Um sie zu finden, bietet sich ein Rückgriff auf die sieben Archetypen von Geschichten an, die Ursprung jeder weiteren Erz?hlung sind. Sie drehen sich um Gefahren, Sehnsüchte, Einheit und Frieden - Werte, die uns alle besch?ftigen. Marken werden so eingebettet in einen vertrauten Kontext, erhalten Glaubwürdigkeit und Identifikationspotenzial.?
Es mag vers?hnlich stimmen, dass es die klassischen Tugenden der Kommunikation sind, die mit den Anforderungen des Digitalen eine Renaissance erleben. Doch auch den Kritikern von Online und Internet sei gesagt: Die Digitalisierung ist kein aufgebauschter Hype und wird nicht vorübergehen. Sie wird unsere Kommunikation erweitern, vielleicht sogar verbessern. Wir werden lernen müssen, "mobile first" zu denken, so wie Apple und Google es schon 2010 vorgegeben haben. Das bringt Chancen: Denn die digitale Welt erweitert die Kommunikationsm?glichkeiten von Unternehmen immens - mit wenig Streuverlusten und enormer Reichweite. Wer strategisch denkt, Geschichten erz?hlt und Erlebnisse für Menschen schafft, hat in der digitalen Kommunikation gro?en Erfolg. Noch gr??eren, wenn die Synergien genutzt werden, die sich aus der Zusammenwirkung mit klassischen Medien ergeben.?
Die 7 Ur-Geschichten - Grundlagen für Gelungenes Storytelling
1. Vom Besiegen des Monsters: die klassische Gut-gegen-B?se-Story, wie sie aus James-Bond-Filmen bekannt ist. Die, in der der Held die Welt rettet.?
2. Vom Tellerw?scher zum Million?r: eine Emanzipationsgeschichte, in welcher der Held durch Glück und eigene Anstrengung zum Erfolg kommt. Ganz wie in der Harry-Potter-Reihe.?
3. Mission: Es gibt etwas, das der Held unbedingt haben will. Und er tut alles dafür, um es zu erreichen. Die Hornbach-Kampagne "Keiner spürt es so wie du" macht es vor.?
4. Reise und Rückkehr: Der Held begibt sich in ein fernes, wundersames Land. Dort trotzt er allen Gefahren und kehrt als gel?uterte Person zurück - ganz wie im Evian-Spot "Dancing with my baby-me".
5. Gut gegen B?se: Eine dunkle Macht verhindert das Zusammenkommen der Protagonisten, die durch das Schicksal füreinander bestimmt sind. Doch am Ende steht das Happy End wie in bekannten Hollywood-Liebesfilmen, und das B?se bleibt auf der Strecke.?
6. Trag?die: In aristotelischer Manier führt ein Charakterfehler des Helden zu seinem Untergang. Eine Marke kann helfen, die schwere Phase zu überwinden. Vor macht das die Zalando-TV-Kampagne.?
7. Wiedergeburt: eine Geschichte über die Rückkehr oder das Auftauchen eines Helden, der stark und überzeugend aus dem Schatten heraustritt. Barack Obamas Wahlkampf-Kampagne "Yes, we can" von 2008 ist ein solches Beispiel.?
Von Anna Schwan und Katharina Lampe?